Ihr da drinnen, wir da draußen
Einheitsfeier ohne Einheit zwischen Politklasse und Volk

Der Verlauf der zentralen Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der Deutschen Einheit, die in Frankfurt am Wochenende mit großem Aufwand in Szene gesetzt wurden, hat die Spaltung zwischen einer sich mehr und mehr einigelnden politischen Klasse und dem deutschen Volk deutlicher werden lassen, als es den Regisseuren des Ereignisses lieb sein konnte. Denn beide Seiten feierten strikt getrennt: Die in der Asylkrise so hilf- und orientierungslos wirkenden politischen Repräsentanten erst in der Paulskirche, dann im Dom und schließlich in der Alten Oper beim offiziellen Festakt.

Das Volk durfte, soweit es intensiv durchgeführte polizeiliche Leibesvisitationen nicht scheute, hinter Absperrungen und unter ständiger Beobachtung von Heerscharen von Sicherheitskräften und Scharfschützen zwar einen kurzen Blick auf die politische Prominenz werfen. In diesen Tagen ist es offensichtlich bedeutend leichter, über die deutschen Grenzen zu gelangen als einen Zuschauerplatz vor der Altenoper zu ergattern. Deshalb mussten sich die allermeisten der von Nah und Fern gekommenen Teilnehmer der Einheitsfeier damit zufrieden geben, die zahlreichen Stände, Zelte und Buden zu besuchen, die in der Frankfurter Innenstadt und am Mainufer aufgebaut waren.

Eine Kundgebung, bei der das Volk und seine gewählten Repräsentanten sich direkt begegneten, war weder geplant noch fand sie statt. Von den Rednern beim Festakt war noch nicht einmal ein Gruß zu hören an die vielen tausenden Menschen, die sich rund um den Opernplatz, Hauptwache und Römer versammelt hatten. Es war nicht das Volk, das diese direkte Begegnung bei einer Kundgebung scheute, sondern es waren die derzeit politisch Mächtigen, die sich dem Risiko nicht aussetzen wollten, statt Beifall auch oder gar massiv Pfiffe zu ernten.

Gefürchtet waren aber nicht Missfallenskundgebungen der sich einmal mehr mit erbärmlichen „Nie wieder Deutschland“-Parolen Rufen präsentierenden Linksextremisten, sondern die „Merkel muss weg“-Rufe von Bürgern, die nicht mehr willens sind, die katastrophale Asylpolitik mit einer in die Millionen gehenden Invasion Deutschlands hinzunehmen.

Trotzdem gab es von einer Gruppe Menschen unterschiedlichstem Alter und Herkunft solche Rufe beim Eintreffen der Bundeskanzlerin und des Bundespräsidenten vor der Alten Oper. Diese Stimme der Volksopposition war zwar noch nicht so laut und vernehmbar, um schon größere Wirkung zu erzielen. Doch diese Stimme hat nicht völlig geschwiegen, sondern sich zu Wort gemeldet. Auch in der ehemaligen DDR, an die in den letzten Wochen und Monaten vieles bei der Entwicklung im vereinten Deutschland in fast gespenstischer Weise erinnert, waren es noch wenige Monate vor dem Mauerfall und der Rufen „Wir sind das Volk!“ und „Wir sind ein Volk!“ nur wenige, die öffentlich laut wurden.

Alle wohlfeile Gutmenschen-Prosa zum Asyldesaster im Dom und der Alten Oper können nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Graben zwischen den politisch Mächtigen und ihrem nun auch der Landesgrenzen enteigneten Volk immer größer und unüberwindbarer wird. Darum ist es absurd und verlogen, eine Einheit zu loben und zu preisen, die gerade in einer selbstmörderischen, ganz Europa fassungslos machenden Weise erneut aufs Spiel gesetzt wird.
(Fotos: Marvin800)