Neue Altstadt ist die große Attraktion Frankfurts

Bürger und Besucher stimmen mit Füßen und Augen ab

Neue Altstadt ist die große Attraktion Frankfurts


In einer Woche wird die Neue Altstadt zwischen Dom und Römer mit umfangreichen Feierlichkeiten offiziell eröffnet. Zugänglich ist sie allerdings schon seit etlichen Wochen, allerdings sind noch Arbeiten im Gange und die meisten Gewerbeflächen noch nicht eingerichtet. Gleichwohl ist bereits jetzt klar: Dieses gegen harte Widerstände erkämpfte, in langer Bauzeit realisierte Projekt ist Frankfurts neue große und bleibende Attraktion für Bürger und Besucher.

Denn tagtäglich ziehen viele Menschen durch die Gassen der neuen Altstadt und bewundern die dank bester traditioneller Bau- und Handwerkskunst wiederauferstandenen, mal rekonstruierten, mal sich mehr oder minder gut einfügenden Gebäuden mit architektonischer Gestaltungsfreiheit. Die Abstimmung für das technisch wie finanziell anspruchsvolle Projekt im historischen Herzen der Stadt findet tagtäglich auf überwältigende Weise mit den Füßen und in den vielen entzückten, dankbaren Augen der Passanten statt.

Die Bürger und Besucher sind dort keineswegs begeistert von angeblichem Kulissenschwindel oder einer Art „Disneyland“ mitten in der Finanzmetropole. Sie sind vielmehr begeistert von einer Architektur des menschlichen Maßes sowie einer Schönheit und Individualität, die ihnen von der längst erschöpften „modernistischen“ Architektur und der Ödnis großer Investorenprojekte wie zum Beispiel dem lokalen Europa-Viertel verweigert wird. Und sie wandeln dabei in einem flächenmäßig nur winzigen Teil Frankfurts, der moderner gar nicht sein könnte.

Denn im Innern der Gebäude sind alle zeitgemäßen Vorrichtungen angebracht, kein Bewohner muss auf sanitären und technischen Komfort verzichten. Was aber besonders zählt, ist die schon jetzt absehbare Nachhaltigkeit der Gebäude. In der neuen Altstadt ist keine Architektur mit schnellem Gebrauchs- und Verfallsdatum entstanden, sondern dank der Anstrengung aller an Planung und Bau Beteiligter ein Stadtbereich, der ohne Krieg oder Naturkatastrophen auch in 200 oder noch mehr Jahren Menschen behausen und erfreuen kann. Wer wollte schon eine solche Prognose für die Hochhausriesen im Bankenviertel Frankfurts wagen?

Die Kritik an den hohen Kosten für die Neue Altstadt wird auch nach der offiziellen Eröffnung in bestimmten Kreisen anhalten. Doch diese Kritik ist und bleibt kurzsichtig aus doppeltem Grund: Erstens erfährt die Stadt eine erhebliche Aufwertung und bekommt ihr historisches Herz zurück. Das ist nicht nur ein Stück Stadtreparatur, sondern nach den fürchterlichen Kriegszerstörungen sowie den unzähligen Bausünden und Verwerfungen der Nachkriegsjahrzehnte Stadtheilung im besten Sinne. In einer völlig durchökonomisierten Gesellschaft wie der gegenwärtigen ist das ein langfristig bleibender Mehrwert, der sich zwar nicht in Euros, wohl aber in Freude und Stolz an der städtischen Heimat „bezahlt“ macht.

Wen das trotzdem nicht überzeugt, sollte sich bei den gastronomischen Betrieben oder Hotels im Umkreis der Neuen Altstadt nach den starken Umsatzsteigerungen in den letzten Monaten der Zugänglichmachung des Areals erkundigen. Denn erwartungsgemäß sind die Bauten rund um den Hühnermarkt und dem historischen „Krönungsweg“ ein neuer Anziehungspunkt für Touristen aus dem In- und Ausland. Für Besucher aus China, Japan, den USA oder Brasilien ist nicht die lediglich in Deutschland einmalige Hochhaus-Skyline interessant, denn das haben sie in ihren Ländern zur Genüge und meist noch weit eindrucksvoller. Sie wollen vielmehr die historischen Bezirke der weit über tausend Jahre alten Stadt sehen und fotografieren.

Wem solche Motive zu oberflächlich dünken, um die Neue Altstadt ästhetisch und finanziell zu legitimieren, kann eine wichtige wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis jedoch nicht wegleugnen: Schöne, harmonische Architektur wirkt positiv auf die menschliche Psyche und hat für die Bewohner in solchen Stadtbereichen sogar eine medizinisch feststellbare förderliche Wirkung auf den Gesundheitszustand. Menschen möchten nämlich nicht nur irgendwo und irgendwie untergebracht werden, sondern in angenehmer Weise wohnen.

Das soll selbstverständlich nicht nur für wohlhabende Bürgerinnen und Bürger gelten, sondern für alle Stadtbewohner. Die Neue Altstadt ist Aufforderung und Mahnung an die Politiker, Stadtplaner, Investoren und Architekten, anders zu planen und zu bauen als das vielfach noch immer der Fall, also schlechte Praxis ist. Dafür muss keineswegs alles, was einst war, rekonstruiert werden. Aber sinnvoll verdichtete Kleinteiligkeit mit abwechslungsreichen Fassaden und lokale, am besten fußläufig erreichbare Grundversorgungsbetriebe sind kein Zauberwerk, sondern Folgen weitsichtiger Entscheidungen zum Nutzen und zur Freude der Bewohner.

Die Neue Altstadt ist gewiss ein Unikat, also unverwechselbar. Doch ihre Existenz zeugt mitten in der deutschen Metropole Frankfurt am Main davon, wie modern und attraktiv es ist, beste Traditionen mit neuesten Errungenschaften harmonisch zu verbinden. Das macht ihre Bedeutung weit über die Stadtgrenzen der Stadt am Main aus.
 

Wolfgang Hübner

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