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Sperriges Gedenken in der Paulskirche
Sperriges Gedenken in der Paulskirche
65. Jahrestag des Volksaufstandes in der DDR
Die Erinnerung an den 17. Juni 1953 sei heute „merkwürdig verblasst“, konstatierte Stadtrat Dr. Bernd Heidenreich in seiner Ansprache zum Gedenken der Stadt Frankfurt für die Opfer des Volksaufstandes in der DDR am letzten Sonntag in der Paulskirche. Damit - und mit vielem anderen, was er an diesem Vormittag den etwa 60 in der Wandelhalle Anwesenden vortrug - hatte er vollkommen recht.
Bedurfte es doch des Antrags NR 512 der Bürger Für Frankfurt BFF im Römer, worin der Magistrat dazu aufgefordert wurde, „am Sonntag dem 17. Juni 2018 in der Paulskirche eine Gedenkstunde anlässlich des 65. Jahrestages des Volksaufstandes in der DDR auszurichten“. Die Koalition aus CDU/SPD/Grünen hatte nicht die Größe, dieser berechtigten parlamentarischen Initiative einer konstruktiven Oppositionsfraktion zuzustimmen, sondern brachte etwa zwei Monate später einen eigenen Antrag ein, dessen Tenor komplett identisch war. Um dieses dreiste Plagiat wenigstens etwas zu kaschieren, fügten die Koalitionäre noch hinzu, „dass insbesondere Schülerinnen und Schüler der Frankfurter Schulen eingeladen werden, um die Bedeutung dieses historischen Ereignisses auch im Bewusstsein der jüngeren Generation zu verankern“.
In diesem Licht muss man dann auch letztlich die Gedenkveranstaltung in der Paulskirche betrachten. Hatte der Oberbürgermeister Peter Feldmann noch zu einer Gedenkfeier im Plenarsaal der Paulskirche eingeladen, fand diese dann in der Wandelhalle unter denkbar geringer Anteilnahme der Stadtgesellschaft statt. Von Schülerinnen und Schülern Frankfurter Schulen - an einem Sonntagvormittag auch wenig verwunderlich - war weit und breit nichts zu sehen. Stattdessen wurde ein Vertreter des Stadtelternbeirates begrüßt. Lediglich die Fraktionsvorsitzenden von CDU und BFF nahmen an der Gedenkfeier teil, die Fraktionen von SPD, FDP und Grünen hatten lediglich die zweite oder dritte Reihe entsandt. Und während selbst „der elendste Rest dessen, was zum Glück überwunden ist“ (Wolf Biermann), die LINKE, einen Vertreter aus ihren Reihen aufzubieten hatte, war es - sehr zur Verwunderung - einzig und allein die AfD-Fraktion im Römer, die dieser Veranstaltung komplett ferngeblieben war.
Der Historiker Heidenreich hielt eine über weite Strecken würdige und auch herausfordernde Rede, bei der das Unbehagen bei manchen der Zuhörer deutlich spürbar war - insbesondere, als er dazu aufrief, dem „wachsenden Prozess des Verdrängens und Verharmlosens“ im Umgang mit dem totalitären SED-Regime in der DDR entgegenzuwirken. Auch wenn der gläubige Katholik beim Vortragen einiger Passagen seiner Rede selbst sichtlich bewegt wirkte, als Kind des freien Westdeutschlands (geb. 1955 in Frankfurt am Main) konnte seine gesamte Ansprache zu diesem Anlass nur auf theoretischem Wissen beruhen.
Und so kam es, dass der ehrenamtliche Stadtrat der CDU alles, was er vorher Richtiges gesagt hatte, zum Ende seiner Rede hin mit zwei Sätzen zunichtemachte, indem er nämlich eine parallel zu der Gedenkfeier stattfindende Kundgebung vor der Paulskirche in die Nähe von „Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus“ rückte und den dort versammelten Menschen vorwarf, das Gedenken an den 17. Juni für diese Zwecke zu missbrauchen. Es ist schwer zu ertragen, wenn die Anmelderin dieser Kundgebung, eine politisch Verfolgte der DDR-Diktatur, die noch kurz vor dem Fall der Mauer 1989 von der Bundesrepublik freigekauft wurde, sowie alle weiteren Kundgebungsteilnehmer von einem Mitglied des Frankfurter Magistrates in einen solchen Kontext gestellt werden. Insbesondere im Hinblick darauf, dass zeitgleich vor der Paulskirche die „Reste der Drachenbrut“ (Wolf Biermann) fröhliche Urstände feierten und mit den Flaggen der DDR und UdSSR die Opfer des 17. Juni 1953 verhöhnten.
Darunter auch die Stadtverordnete der LINKE im Römer, Merve Ayyildiz, die dazu noch mit einem „ACAB“-T-Shirt (All Cops Are Bastards) die zum Schutze der friedlichen Kundgebung anwesenden Polizisten verunglimpfte. Das freilich konnte der Historiker Heidenreich zum Zeitpunkt seiner Rede noch nicht wissen, hätte es aber aufgrund seiner Kenntnis der links-faschistischen Szene in Frankfurt zumindest erahnen müssen.
Die zentrale Lehre aus der gescheiterten Volkserhebung in der DDR sei, dass es Freiheit nicht zum Nulltarif gebe. Sie erfordere „Zivilcourage und Mut“, so Heidenreich, „es gibt keine Freiheit ohne Opfer“. Wer an diesem 17. Juni 2018 in Frankfurt mehr Zivilcourage und Mut aufgebracht hat - die Besucher in der Paulskirche oder die Teilnehmer der patriotischen Kundgebung auf dem Paulsplatz -, diese Beurteilung möge jeder für sich selbst persönlich vornehmen.