Sind schönere Städte „rechtsradikal“?
Zum Denunziationsversuch eines Modernisten
Die kurz vor der Fertigstellung stehende Neue Altstadt in Frankfurt am Main war und bleibt ein Hassobjekt jener mächtigen elitären Schicht von modernistischen Architekten und Planern, die großen Anteil an der „Unwirtlichkeit unserer Städte“ in Deutschland zu verantworten haben. In den letzten Jahrzehnten hat sich dagegen eine Bewegung gebildet, die mit Rekonstruktionen besonders wertvoller im Krieg zerstörter Bauten sowie schönerer Architektur und menschenfreundlicherer Stadtplanung ganz andere Akzente setzen will.
Neben den bekannten Entwicklungen in Dresden, Potsdam und anderswo hat dabei das Projekt der Neuen Altstadt in dem historischen Bereich zwischen Römer und Dom herausragende Bedeutung. Dort, wo einst die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation gekürt und gefeiert wurden, und wo sich bis zur Bombardierung am 22. März 1944 eine der schönsten Altstädte Europas befand, wird seit etlichen Jahren auf der Fläche nur eines Fußballfeldes ein Teil der völlig zerbombten Frankfurter Altstadt mit 15 Rekonstruktionen und historisierenden Gebäuden errichtet.
Politischer Auslöser dieses spektakulären Projekts war 2005 ein entsprechender Antrag der damals nur aus einem Stadtverordneten bestehenden Fraktion der Bürger Für Frankfurt (BFF). Zwar wurde der Antrag von CDU, SPD und Grünen prompt abgelehnt. Doch die Idee fand sogleich großen Anklang in der Bevölkerung. Und längst will nun fast jeder in Frankfurt schon immer für die Neue Altstadt gewesen sein. Die hartnäckigsten und fanatischsten Gegner des Projekts waren von Anfang an unter den modernistischen Architekten und Stadtplanern, aber befremdlicher Weise auch unter den Denkmalschützern zu finden.
Daran hat sich offenbar nichts geändert, wie ein fast ganzseitiger Text in der Ausgabe der Sonntagszeitung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAS) vom 8. April 2018 dokumentiert. Der Autor Stephan Trüby, Professor für Architektur und Kulturtheorie an der Universität Stuttgart, lässt schon in Überschrift und erst recht in der Unterzeile deutlich erkennen, worum es ihm geht: „Wir haben das Haus am rechten Fleck – Die gefeierte neue Frankfurter Altstadt geht auf die Initiative eines Rechtsradikalen zurück. Das ist kein Zufall“.
Was dann über vier Spalten dargelegt wird, ist der Wutausbruch eines führenden Ideologen „moderner“ Architektur gegen die in Deutschland stärker und erfolgreicher werdende Rekonstruktionsbewegung. Es ist aber auch und sogar vorrangig die Denunziation eines bekennenden konservativen Intellektuellen, der seinen sehr verdienstvollen Beitrag zum Frankfurter Altstadt-Projekt geleistet hat. Denn der Offenbacher Politologe, Historiker und Kunsthistoriker Dr. Claus-M- Wolfschlag hat 2005 gemeinsam mit dem Verfasser dieses Textes, dem damaligen BFF-Stadtverordneten Wolfgang Hübner, den folgenreichen Antrag ausgearbeitet, der nun gegen alle Widerstände realisiert worden ist.
Dr. Wolfschlag ist keineswegs ein „Rechtsradikaler“, hat sich aber mit seiner als Buch veröffentlichten Doktorarbeit über „Das antifaschistische Milieu“, ein Standardwerk über Linksextremismus in Deutschland, den bleibenden Hass der von ihm analysierten politischen Szene wie auch der weitverzweigten linksgrünen und linksliberalen Netzwerke im Kulturbereich zugezogen. Der Autor verschiedener Bücher ist deshalb auf Veröffentlichungen in konservativen Verlagen und Publikationen sowie auf Politikberatung angewiesen, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Im Gegensatz zu seinem als Professor wohlbestallten Denunzianten Trüby hat sich Dr. Wolfschlag für den schweren Weg des aufrechten Gangs in diesem weit nach links gerutschten Land entschieden.
Trüby bezieht sich in seinem Artikel besonders auf Wolfschlags bereits 1995 erschienen Aufsatz „Heimat bauen“ und zitiert daraus mit offensichtlicher Empörung Kernsätze wie: „Wer von Volk und Heimat reden will, kann von der Architektur (in und welcher das Volk ja schließlich lebt) wohl nicht schweigen“ oder „Eine menschliche Architektur möchte ihre Verwurzelung mit der Erde wieder sichtbar machen“. Wenn das „rechtsradikal“ sein soll, dann ist folglich auch jeder Baumschützer oder Windkraftgegner irgendwie „rechtsradikal“.
Wes Geistes Kind der Stuttgarter Architekturideologe ist, der laut Wikipedia in seinem Berufsleben noch kein einziges Haus gebaut hat, beweist der letzte Absatz seines FAS-Artikels, der so aufschlussreich ist, dass er hier vollständig zitiert werden soll: „Ganz anders die neue Frankfurter Altstadt: skandalös ist hier, dass die Initiative eines Rechtsradikalen ohne nennenswerte zivilgesellschaftliche Gegenwehr zu einem aalglatten Stadtviertel mit scheinbar bruchlosen Wiederholungsarchitekturen führte; historisch informiertes Entwerfen verkommt damit zum unterkomplexen Heile-Welt-Gebaue, das Geschichte auf ein eindimensionales Wunschkonzert reduziert. Vergangenheit soll für das Publikum wie geschmiert laufen, und zwar in Richtung einer alternativen Historie für Deutschland: Einer Historie, in der der Nationalsozialismus, die deutschen Angriffskriege und der Holocaust allenfalls noch als Anekdoten einer ansonsten bruchlosen Nationalgeschichte überleben.“
Trüby, Luxusantifaschist des Jahrgangs 1970, bekennt sich mit solch wutschnaubender Polemik als überzeugter Anhänger einer aus dem verbreiteten „Schuldkult“ resultierenden „Sühnearchitektur“, die viele deutsche Städten mit Betonbrutalismus und Traditionsverachtung verschandelt. Trübys alibihafte Beteuerung, es gehe nicht darum, „Rekonstruktionen als solche zu skandalisieren“, ist heuchlerisch, denn es geht ihn um nichts anderes.
Selbst die bereits 1951 fertiggestellte Rekonstruktion des im Krieg bombardierten Goethe-Hauses in Frankfurt, der Geburtsstadt des Dichters, ist dem Modernisten Trüby noch ein bleibendes Ärgernis. Denn, so schreibt er: „Die Rekonstruktionsarchitektur entwickelt sich in Deutschland derzeit zu einem Schlüsselmedium der autoritären, völkischen, geschichtsrevisionistischen Rechten.“ Das ist ein Generalangriff auch auf alle, die sich zum Beispiel für den Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche oder des Berliner Schlosses engagiert haben: Alles „Rechtsradikale“?
Laut Professor Trübys trüber Sicht der Dinge sind folglich auch alle, die sich für den Teilwiederaufbau der Frankfurter Altstadt eingesetzt haben, entweder „Rechtsradikale“ oder von solchen Verführte und Irregeführte. Dazu gehören pikanterweise die Frankfurter Parteien von CDU, SPD und Grünen ebenso wie der neuerdings vor Altstadtbegeisterung geradezu platzende linke SPD-Oberbürgermeister Peter Feldmann. Sie alle müssen sich nun von dem Stuttgarter Ideologen schrecklich bloßgestellt fühlen.
Was allerdings die politischen Initiatoren von 2005 betrifft, sind Dr. Wolfschlag und der Verfasser dieses Textes Herrn Trüby außerordentlich dankbar, endlich einmal so eindeutig festgestellt zu haben, wer einen entscheidenden Beitrag zu einem Projekt geleistet hat, auf dessen offizielle Eröffnung Ende September sich bis auf Jutta Ditfurth und die linksextreme Szene ganz Frankfurt freut. Professor Trüby, um es fast mit Goethe zu sagen, ist ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und doch – wenigstens in diesem Fall - das Gute schafft. Das soll gerne herzlich gelobt werden!
Wolfgang Hübner