#metoo-Kampagne statt Realität auch in Frankfurt
Verdrängung der konkreten Ursachen sexueller Belästigung
Die aktuelle #metoo-Kampagne gegen "Sexisten" ist bestens dazu geeignet, von den Realitäten auf den bundesdeutschen Straßen abzulenken. Auch die Stadt Frankfurt mochte dabei nicht nachstehen und hat nun eine bunte Broschüre drucken lassen. Dazu gleich mehr. Einige grundsätzliche Überlegungen seien aber vorausgeschickt.
Wir leben in einer Zeit seltsamer so genannter kognitiver Dissonanzen beim Thema Sexualität. Das meint, dass es in unserer Gesellschaft sehr unterschiedliche Wahrnehmungen und Absichten zu dem Thema gibt, die nicht nur miteinander unvereinbar sind, sondern sich auch offensichtlich komplett widersprechen. Einerseits erleben wir eine Zeit aufkommender Prüderie, andererseits werden wir mit einer Hyper-Sexualisierung konfrontiert.
Gerade die Hypersexualisierung zeigt die Widersprüche, in denen sich vor allem linke Kreise befinden. Pornographie ist heute frei zugänglich. Transvestiten haben längst den Weg in die Fernsehshows gefunden. Femen-Aktivistinnen zeigen bei allen Gelegenheiten ihre blanken Brüste. Linke Demonstranten bezeichnen sich als "queer" und "pervers". Die frühkindliche Sexualerziehung wird teils bereits für den Einsatz im Kindergarten vorbereitet. Und im öffentlich-rechtlichen Kinderkanal "KiKa", der für die Altersgruppe bis 13 konzipiert ist, dürfen sich halbwüchsige Buben am Öffnen eines Büstenhalters ausprobieren. Diese sexuelle Libertinage wird von den gleichen linken Kreisen begrüßt, die auf der anderen Seite muslimische Zuwanderung fördern wollen und romantisierende Flüchtlings-Schmonzetten verbreiten.
Auf der anderen Seite, wiederum vor allem von linken Kreisen getragen, stehen neue Prüderie und Restriktion gegen so genannten "Sexismus". In den Forderungen nach neuer Prüderie bildet sich dabei eine unheilige Allianz aus feministischen und muslimischen Wertvorstellungen. So wird beispielsweise die Koedukation, also die gemeinsame Erziehung von Jungen und Mädchen, unterhöhlt durch Forderungen nach Geschlechtertrennung, zum Beispiel beim Sportunterricht oder Schwimmen. Die Feministinnen sehen darin teils wieder begrüßenswerte Maßnahmen zum Schutz von Frauen "vor Männern".
In Schweden wird ein Gesetz installiert, das sexuelle Handlungen unter Strafe stellt, wenn diesen nicht alle Partner ausdrücklich und erkennbar zustimmen. Passivität wird dabei nicht anerkannt. Um sicher zu gehen, müsste man wohl vor dem Beischlaf einen Vertrag unterzeichnen lassen. In Frankreich ist ein Gesetz geplant, dass Geldstrafen für Äußerungen über den Körper einer Frau vorsieht, oder wenn man sich in der U-Bahn zu nahe neben eine Frau setzt. Die Wahrnehmung dessen, was einfach ein Kompliment ist und was eine "sexistische Anmache", und wann eine Frau sich auf einem U-Bahn-Sitz bedrängt fühlt, sind dabei völlig subjektiv.
Im Ernstfall laufen vor allem Männer stets Gefahr, mit Vorwürfen konfrontiert zu werden, gleich, ob nichts dahinter steckt oder ob es sich wirklich um einen normalen, vielleicht etwas ungelenken, Annährungsversuch gehandelt hat, der dann in Zukunft viermal im Vorfeld überlegt sein will. Die Adressaten solcher Gesetze sind eindeutig die ohnehin weitgehend zurückhaltenden einheimischen Normalmänner, die sich vor Bloßstellung, beruflichen Problemen und Geldstrafen scheuen, und denen nun Anbahnungsversuche weiter erschwert werden.
Die Sexual-Straftäter, die heutzutage teils in Gruppen Frauen im öffentlichen Raum bedrängen, kulturell bedingt ein anderes Rollenverständnis haben und bei ihrem Tun wenig zu verlieren haben, werden sich allerdings weder von solchen Gesetzen beeindrucken, noch durch öffentliche PR-Kampagnen, wie den in Köln verteilten Armbändchen für Frauen, von ihren Vorhaben abbringen lassen.
Ähnliches gilt für die #metoo-Kampagne, die in den Medien breit getreten wird. Es geht dabei um einige amerikanische Schauspielerinnen und Models, die öffentlich machten, von dem bekannten Filmproduzenten Harvey Weinstein sexuell belästigt worden zu sein. Die Affäre nahm ihren Lauf und führte auch zu Anschuldigungen gegen andere Männer der Medienbranche, z.B. dem Schauspieler Kevin Spacey und Regisseur Quentin Tarantino. In Deutschland bildete sich rasch ein Ableger der Kampagne, der den Regisseur Dieter Wedel zu Fall brachte.
Was an diesen Vorwürfen real, was subjektiv, übertrieben oder gar erfunden ist, spielt im aufgeheizten Medienbetrieb kaum noch eine Rolle. Menschen sind vorverurteilt, in ihrem Ruf ruiniert, bevor die Anschuldigungen überhaupt einer ausreichenden Prüfung unterzogen werden können. Sicherlich findet die Ausnutzung von Machtpositionen für sexuelle Gefälligkeiten häufig statt. Vor allem in der Model- und Schauspielerbranche. Man kann dies verurteilen oder als ein Spiel sehen, zu dem stets auch zwei oder mehrere Akteure gehören. Und das nicht verboten ist, so lange keine strafbaren Handlungen vorgenommen werden.
Es liegt in der Natur begründet, dass Frauen oft unter zu vielen sexuellen Angeboten leiden, während Männer unter zu wenigen sexuellen Möglichkeiten oder unter Zurückweisungen leiden. Der Anbahnungsversuch einer sexuellen Verbindung ist keinesfalls immer angenehm, in den meisten Fällen ist er unangenehm, und zwar für beide Parteien. Die meisten Anbahnungsversuche scheitern folglich. Eine Gesellschaft kann versuchen, damit entspannt umzugehen, einen Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen aber auch Freiheit herrscht oder sie kann in Hysterie verfallen und Repressionsandrohungen verstärken.
Nun wird hierzulande das Promi- und B-Promi-Phänomen #metoo mit dem Thema der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz verbunden. Das Thema wird also ein wenig auf Otto Normalverbraucher herunter zu brechen versucht. Zwar sind die heutigen, emanzipierten Frauen bekanntlich nicht auf den Mund gefallen, und auch heute bereits gibt es Möglichkeiten, sich im Fall von Belästigungen bei der Betriebsleitung oder beim Betriebsrat zu beschweren oder gar Anzeige zu erstatten. Das berufliche Risiko für "Belästiger" ist gerade im heutigen geistigen Klima hoch. Dennoch mochte auch die Stadt Frankfurt nicht abseits stehen und ihren Beitrag leisten.
Argumentationshilfen auf Kindergartenniveau
Das Gleichberechtigungsbüro der Stadt hat deshalb nun eine bunte Broschüre mit dem Titel "Sexuelle Diskriminierung und Belästigung am Arbeitsplatz" herausgebracht. Ein Großteil der darin geäußerten Thesen sind schlicht Binsenweisheiten. Natürlich ist es nicht richtig, andere Menschen sexuell zu belästigen oder gar zu vergewaltigen. Dass "ein gegenseitiges Verhalten, das die Persönlichkeit anderer achtet, (…) die selbstverständliche Voraussetzung eines respektvollen Miteinanders" bildet, scheint in Frankfurt aber eine offenbar so bahnbrechend neue Erkenntnis zu sein, dass sie unbedingt in Form einer Broschüre gedruckt werden musste. Die darin enthaltenen Handlungsanweisungen dürften dem deutschen Normalbürger eigentlich bekannt sein, und sie werden wohl auch von denjenigen, die wirklich diese Broschüre einmal lesen sollten, sicherlich rasch überblättert. Doch gilt es vermutlich für das Gleichberechtigungsbüro, seine eigene Existenz durch derart aufgeblasene Publikationen zu legitimieren.
Zu den Binsenweisheiten gesellen sich Argumentationshilfen auf Kindergartenniveau, die im Belästigungsfall zur Anwendung kommen sollen:
"Was können Sie tun?
In der Situation: Erfahrungsgemäß ist es effektiv, die Belästigung deutlich zu verbieten. Weisen ein solches Verhalten entschieden zurück.
- `Nein!´
- `Das will ich nicht!´
- `Stopp! So nicht!´
- `Lassen Sie das!´"
Man hat bei solchen Hinweisen fast den Eindruck, diese Broschüre wende sich an asiatische Touristen, denen für ihre Europa-Reise kurze Grundkenntnisse in der deutschen Sprache vermittelt werden sollen, um sie vor Belästigungen während des Fotografierens am Römerberg zu schützen.
Doch die Zielrichtung der Broschüre geht weiter, als manche Plattitüde vermuten lässt. "Diskriminierung und Belästigung" wird nämlich weit über das Ausnutzen von Abhängigkeitsverhältnissen oder das Versprechen beruflicher Vorteile hinausreichend verstanden. Das tritt anhand verschiedener Textpassagen deutlich hervor. So sei "sexuelle Belästigung" ein "unerwünschtes sexualisiertes und geschlechtsbezogenes Verhalten". Es könne "verbal, nonverbal oder durch tätliche Angriffe" erfolgen. Zu letzteren werden auch "Blicke" oder "einschüchterndes Anstarren" gezählt, ebenso das Zeigen oder Anbringen von Gegenständen und Bildern mit sexuellen Anspielungen in Diensträumen. Ebenso Briefe oder elektronische Nachrichten mit sexuellen Inhalten. Diskriminierungen seien zudem durch anzügliche Witze oder "herabsetzende Bemerkungen" zu "sexuellen Identitäten und Lebensformen" erkennbar.
Lässt man einmal tätliche Angriffe weg, die strafrechtlich ohnehin verboten sind, so kann es derjenige, der seinem Gegenüber erotisches Interesse verbal oder nonverbal signalisiert, jedoch nie im Vorfeld wissen, ob dieses "Belästigung" nun erwünscht oder unerwünscht ist. Er kann es nur ausprobieren. Selbst die Broschüre gibt zu, dass "Belästigung in allen zwischenmenschlichen Beziehungen vorkommen und individuell sehr unterschiedlich empfunden werden" kann. Sexuelle Belästigung müsse dabei nicht einmal "beabsichtigt oder bewusst ausgeübt werden". Entscheidend sei allein, "ob die betroffene Person das Verhalten als sexuelle Diskriminierung und Belästigung empfindet".
Die wirklichen Gefahren werden ignoriert
Damit aber sind der Willkür natürlich Tür und Tor geöffnet. Und Institutionen wie das Gleichberechtigungsbüro schaffen sich nebenbei ein ganz weites Feld für Beratungs- und Betreuungsaufgaben gegenüber sich belästigt fühlenden Menschen. Die Aufforderung in der Broschüre, die Belästigungen schriftlich zu dokumentieren und sich dann "im Gleichstellungsbüro bei Ihrer Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten" anzumelden, nähren den Verdacht, dass hier auch Eigeninteresse der spezifischen Institutionen vorliegen mag.
Letztlich folgt daraus das Ergebnis, die Arbeitswelt noch effektiver machen, um durch soziale Kontrolle und Disziplinierung der Gefahr des Motivationsverlusts und Leistungsabfalls entgegen zu wirken, wie die Broschüre auch schreibt. Nichts soll die reibungslosen Arbeitsabläufe, das Funktionieren der Ameisen im Getriebe von Verwaltung und Wirtschaft stören. Wenn schon das Glas Bier beim Mittagsmahl verboten und die Zigarettenpause abgeschafft ist, soll auch der zwischenmenschliche Aspekt des Arbeitslebens möglichst unterbunden werden. Eine langjährige Kontaktbörse wird mehr oder minder geschlossen.
Nun widmet sich diese mit Steuergeldern finanzierte, und von der Werbeagentur Opak erstellte, Broschüre bewusst nur der Belästigung am Arbeitsplatz, also einem Ort, an dem sich Frauen in einem relativ geschützten Areal bewegen. Indes, mit der realen Gefahr, die sich in den letzten Jahren spürbar in Deutschland erhöht hat, hat die #metoo-Medienkampagne und ihr Ableger so wenig zu tun, wie die Wüstenspringmaus mit dem Badesee. Nach Umfragen finden die meisten sexuellen Belästigungen im öffentlichen Raum statt, gefolgt vom privaten Umfeld, also bei zerrütteten, von Gewalt geprägten Beziehungen. Erst danach folgen Belästigungen am Arbeitsplatz.
Wie viele Frankfurter Mädchen und Frauen sind aber nun Models und Schauspielerinnen, die Filmkarriere gemacht haben oder machen wollten, und die von Harvey Weinstein oder Dieter Wedel an den Allerwertesten gefasst bekamen? Und wie viele "trans* und intergeschlechtliche Personen" sind in der Frankfurter Stadtverwaltung und in Frankfurter Betrieben eigentlich schon sexuell belästigt oder diskriminiert worden? Immerhin hat es das Gleichberechtigungsbüro als so wichtig erachtet, explizit in seiner Broschüre darauf hinzuweisen.
Diese Fragen offenbaren die ganze Absurdität dieses aufgeblasenen Themas, weil es an der Alltagsrealität von 99 Prozent der hier lebenden Frauen völlig vorbeigeht. Diese Frauen haben Angst, durch den Grüneburgpark zu gehen, sich abends auf dem Universitätsgelände zu bewegen, in der letzten S-Bahn nach Hause zu fahren, auf dem Eisernen Steg Silvester zu feiern. Und zwar nicht, weil sie meinen, dass dort gleich ein Dieter Wedel um die Ecke gelaufen kommt und ihnen eine unsittliches Karriereangebot unterbreitet.
So drängt sich der Verdacht auf, dass die Medien der #metoo-Kampagne deshalb solche Aufmerksamkeit zukommen lassen, um von der realen sexuellen Gewalt in unserer Gesellschaft und deren Ursachen möglichst wenig schreiben zu müssen. Diese Vermutung könnte auch auf das Gleichstellungsbüro übertragen werden.
Claus Wolfschlag