Möglichst exotisch

Eine Analyse zur so genannten ehrenamtlichen "Flüchtlingshilfe"

Möglichst exotisch
© R2D2


Die Folgen der seit 2015 verstärkten Einwanderungswelle sind auch für Frankfurt und dessen längst wankende Integrationskraft noch nicht absehbar. Nicht übersehbar ist aber, dass trotz viel Kritik in der Bürgerschaft ein nicht unerheblicher Teil der Bürger das Motto "Refugees Welcome" mitträgt und am Laufen hält.

Dabei handelt es sich nicht nur um die Angestellten diverser Hilfseinrichtungen, die durch ihren Arbeitsplatz im Bereich der "Flüchtlingsbetreuung" finanziell profitieren. Viele freiwillige Helfer gesellen sich dazu. Vom Leiter einer Flüchtlingsunterkunft erfuhr die Autorin, dass die offizielle Personaldecke sehr dünn ist. Nur durch die freiwilligen Helfer könne der Betrieb der Einrichtung effektiv, also jenseits einer reinen Verwahranstalt, aufrecht erhalten werden. Hier unternimmt eine Frau Ausflüge mit jungen Einwanderern, dort gibt eine andere Deutsch-Unterricht, eine weitere helfe bei Gängen zu Behörden.

Ein Beispiel für dieses Engagement zitierte die "Frankfurter Neue Presse": "Ihr gehe es ähnlich, wie der `deutschen Allgemeinheit´, sagt Uta Harnischfeger. `Ich habe einen Durchhänger mit meinem afghanischen Flüchtling.´ Die Frankfurterin ist berufstätige Mutter dreier Kinder und kümmert sich zusätzlich um einen jungen Mann aus Afghanistan, der als minderjähriger Asylbewerber allein nach Deutschland kam. `Ich wollte mal jemandem bei den Hausaufgaben helfen, der dafür dankbar ist´, erklärt Harnischfeger ihre Motivation. `Anders als meine eigenen Kinder.´ Doch nun stehen die Prüfungen für den Hauptschulabschluss bevor und Harnischfeger hat große Zweifel daran, dass ihr Nachhilfeschüler sie bestehen wird. `Ich weiß nur noch nicht, wie ich es ihm sagen soll.´"

Auch in Frankfurt soll demnächst ein weiteres Beratungszentrum "für traumatisierte Flüchtlinge" eingerichtet werden. Der Staatssekretär für Integration und Antidiskriminierung, Jo Dreiseitel (Grüne), erklärte, Erfahrungen aus dem Darmstädter Projekt "Step-by-Step" nutzen zu wollen. Bei diesem Projekt spielen ebenfalls ehrenamtliche Helfer mittlerweile eine tragende Rolle. Die "Frankfurter Neue Presse" schrieb: "Das Angebot `Step-by-Step´ in der Darmstädter Flüchtlingsunterkunft `Michaelisdorf´ war Ende April offiziell ausgelaufen. Allerdings engagierten sich viele Helfer dort weiter ehrenamtlich, wie Marianne Leuzinger-Bohleber vom Frankfurter Sigmund-Freud-Institut erklärte. Die Professorin hatte das Projekt gemeinsam mit der Familienforscherin Sabine Andresen von der Goethe-Universität wissenschaftlich begleitet."

Damit Ermüdungserscheinungen bei den so dringend nötigen privaten Helfern nicht so schnell eintreten, lassen sich die politischen Institutionen und die von der Einwanderung profitierenden Hilfsorganisationen einiges einfallen. Stets werden neue Kampagnen gestartet, regelmäßig werden Helfer geehrt. Nicht grundlos verweist die von der Stadt Frankfurt eingerichtete "Stabsstelle Flüchtlingsmanagement" auf die 2015 gegründete Ehrenamtskoordinierungsstelle "Frankfurt hilft". Ziel ist es bei all diesen Maßnahmen, die helfenden Privatleute möglichst lange bei der Stange zu halten, denn das staatliche System der Einwanderungssteuerung würde ohne sie schon viel schneller ins Ächzen geraten, womöglich gar zusammenbrechen. Aus diesem Grund wird das Abebben des ehrenamtlichen Engagements nach dem "Refugees Welcome"-Rausch von 2015 als Gefahr betrachtet. Dilek Akkaya, eine der beiden Geschäftsführerinnen der Ehrenamtskoordinierungsstelle "Frankfurt hilft" äußerte unlängst besorgt gegenüber der "Frankfurter Neuen Presse": "Wir merken, dass weniger Menschen auf uns zukommen, die sich für Flüchtlinge engagieren möchten."

Wöchentlich wird man deshalb in den Zeitungen mit neuen (Kunst-)Aktionen und Initiativen bombardiert. Um nur ein Beispiel zu nennen: Zur Anregung und zur Koordination des ehrenamtlichen Engagements für Einwanderer, haben das Sozialdezernat der Stadt Frankfurt und zehn Frankfurter Stiftungen gemeinsam die Koordinierungsstelle "Frankfurt hilft!" eingerichtet. Mit dieser solle das "Engagement in der Flüchtlingsarbeit" gefördert werden. Keine Initiative ohne ständig neue Öffentlichkeitsaktionen. So wirbt "Frankfurt hilft!" nun mit Plakaten und Postkarten, auf denen neun Helfer als Models vorgestellt werden, für weitere ehrenamtlich Interessierte.

Stadträtin Daniela Birkenfeld (CDU) behauptete in diesem Zusammenhang gegenüber der "Frankfurter Neuen Presse", es gäbe "Helfer, die sich nicht trauen in ihrem Freundeskreis über ihr Engagement für Flüchtlinge zu sprechen". Diese wolle man in ihrem Selbstvertrauen stärken. Und Uta Harnischfeger, die ehrenamtliche Nachhilfelehrerin, erklärte gegenüber der Presse, dass sie trotz aller schulischen Schwierigkeiten ihres Schützlings "wahnsinnig tolle Erfahrungen" gemacht habe.

Oft handelt es sich bei den Helfern um Frauen mit viel Tagesfreizeit. Auf jeden Fall aber bedient die so genannte "Flüchtlingshilfe" die Sinnsuche, also den Wunsch, nach einem inhaltlich erfüllten Tun, den die auf Ökonomie ausgerichtete Produktionswelt nicht final zu erfüllen vermag. Rückschläge und Ernüchterungen führen dabei nicht automatisch zum sofortigen Einstellen der Hilfstätigkeiten. Eine solche Ermüdung bedarf bei vielen Überzeugten eines längeren Zeitraums.

Das Phänomen ist insoweit interessant, als es nicht nur durch die altruistische Ader des Menschen erklärbar ist. Mitmenschlichkeit könnte massenhaft auch gegenüber Einheimischen gezeigt werden. Wir haben in Frankfurt viele einsame Senioren, die sich nach Ansprache sehnen, Kinder, die betreut werden könnten, Obdachlose, Kranke. Doch ihnen gegenüber wurde nie eine solche Welle an Hilfsbereitschaft öffentlich bekundet.

Wie ist das Phänomen erklärbar? Alexander Meschnig interpretierte dieses im April auf der Internet-Seite achgut.com mit dem Begriff der "Eitelkeit des Guten". Hierbei erläuterte er, dass gerade die möglichst fremde, exotische Herkunft der Einwanderer dazu führte, sie zum Ideal der Schutzbedürftigen konstruieren zu können:

"Da es schlicht unmöglich ist, sich um jeden Menschen zu kümmern, der in schlechteren Verhältnissen als man selbst lebt, wurde der Flüchtling, verdichtet in der Figur des Syrers, zum entscheidenden Symbol. Der Flüchtling, später Schutzsuchender genannt, musste neben seinem Status des Verfolgten, als das Fremde, das Exotische schlechthin, konstruiert werden. Nur dieser Abstand von uns selbst erlaubte es, den Anderen ohne Ausnahme und ohne Ansehen der empirischen Gestalt zu idealisieren. Mit anderen Gruppen die uns näher sind, wie etwa Ukrainern, Bulgaren oder obdachlosen Deutschen, wäre das niemals möglich gewesen."

Während also einheimische Alte, Obdachlose oder Pflegebedürftige nur wenige Bürger emotional ansprechen, bedurfte es zur Aktivierung einer völlig unkritischen Hilfsbereitschaft und der eigenen moralischen Erhöhung erst eines passenden Objekts. Meschnig: "Der Flüchtling/Migrant aus tausende von Kilometern entfernten Weltgegenden mutierte in der (medialen) Inszenierung zu einer Art von `Heiligem´, da er gleichzeitig das Fremde verkörperte und in seiner Gestalt eine Erlösung versprach. Mit der grenzenlosen Aufnahme aller Einwanderer, offiziell: Schutzsuchender, konnte nicht nur jeder Einzelne, sondern Deutschland als Ganzes zeigen, dass es bereit war, seine nationale und egoistische Identität abzulegen. Ein Land, das seine Vergangenheit endlich hinter sich ließ und die einmalige Chance erhielt, den Beweis für seine Läuterung vor den Augen der Weltöffentlichkeit anzutreten. Dafür brauchte es ein Objekt, das möglichst weit vom Eigenen entfernt war und das gleichzeitig einem als Antirassismus getarnten Paternalismus ein weites Feld eröffnete."

Weil die Aufnahme und Hilfe für den Flüchtling bei den Helfenden längst Teil ihres persönlichen Selbstverständnisses, ihrer Identität, geworden ist, müssen warnende Stimmen ferngehalten werden. Laut Meschnig wurden deshalb die "wenigen kritischen Stimmen (…) deshalb unisono als menschenfeindlich, ihre Repräsentanten als „Pack“, Rechtspopulisten oder noch Schlimmeres abgewertet". Als tiefe psychologische Ursache wertete Meschnig "die bei vielen Menschen psychisch tief verankerte und entsprechend weit verbreitete Vorstellung von Arm und Reich". Viele Wohlstandsbürger haben also ein schlechtes Gewissen aufgrund ihres finanziell abgesicherten Lebens und verbinden das mit der Vorstellung "auf Kosten anderer" zu leben, also schuld an der Armut anderer Länder zu sein. Einwände, dass unterschiedlicher Wohlstand auch mit unterschiedlicher gesellschaftlicher Leistungsfähigkeit und Kompetenz zu tun haben könnte, werden bestenfalls ignoriert.

Meschnig: "Spätestens ab den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts ist die Formel `unser Reichtum basiert auf deren Armut´ zur Quintessenz des schlechten Gewissens der europäischen Wohlstandsländer geworden. Die stärkste Asymmetrie ist heute eine moralische Konstellation, die uns in den Zustand eines reuigen Sünders versetzt. Da unser Reichtum, so die weit verbreitete Überzeugung, auf der Ausbeutung der südlichen Hemisphäre beruht, ist es nur gerecht und unsere moralische Pflicht, die ganze Welt mit offenen Armen aufzunehmen. In gewisser Weise holen sich die aktuell einwandernden Migranten also nur das zurück, was wir ihnen über Jahrhunderte genommen haben und immer noch nehmen. (…)Unzählige TV-Beiträge, Stapel von Büchern und Anklageschriften gegen die Verbrechen des Neokolonialismus, die Ausbeutung Afrikas und anderer nicht-weißer Länder, stoßen dabei auf breite Zustimmung über Parteigrenzen hinweg."

Dieses Schuldgefühl läuft möglichenfalls parallel zum Anspruchsdenken mancher Einwanderer, die meinen, sich von den hier erarbeiteten Ressourcen nur das zu holen, was ihnen eigentlich legitim zustände. Die Erzählung vom Arbeiter als Mitglied einer unterdrückten Klasse wurde also nach dem Scheitern der kommunistischen Ideologie auf den Einwanderer als Mitglied einer unterdrückten Rasse übertragen. Nach dem klassischen Marxismus soll nun also die "multikulturelle" Ideologie die globale Gleichheit der sozialen Verhältnisse erschaffen.

Den meisten ehrenamtlich Engagierten sind diese Hintergründe und die möglichenfalls entstehenden negativen Spätfolgen ihres Engagements in der Regel nicht bewusst. Sie wollen helfen, etwas Gutes tun. Doch wäre es an der Zeit, ihnen mitzuteilen, dass dies auch jenseits der so genannten "Flüchtlingshilfe" möglich ist. Viele alte Frankfurter sitzen allein zu Hause und freuen sich über etwas Aufmunterung. Viele Kranke und Behinderte benötigen Hilfe. Unsere Grünanlagen könnten häufiger Säuberung auch durch Trupps freiwilliger Helfer vertragen. Von Graffitis verschmierte Wände könnten auch mit freiwilliger Hilfe gesäubert oder neu gestrichen werden. Es gibt also viel zu tun in Frankfurt. Packen Sie es an!
 

Marlis Lichtjahr

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