Der Geschichtsvergessenheit entgegen wirken

Eine Empfehlung für das Buch "Deutsche Geschichte für junge Leser"

Der Geschichtsvergessenheit entgegen wirken


Dass der Geschichtsunterricht in vielen Schulen zu kurz komme, wurde 2015 in der Tageszeitung "Die Welt" thematisiert. Demnach ist ein eklatanter Verlust an Geschichtsbewusstsein festzustellen."Französische Revolution, Weimarer Republik, DDR: Immer mehr deutsche Schüler wissen darüber – nichts. Geschichte kommt an vielen Schulen mit System zu kurz. Es droht verbreitete historische Amnesie", schrieb Thomas Vitzthum in der "Welt".

Bundesweit würde immer weniger Geschichtsunterricht erteilt. In vielen Klassenstufen hätten die Kinder und Jugendlichen lediglich eine Wochenstunde. Und im traditionell sozialdemokratischen Nordrhein-Westfalen sei mit Einführung des achtjährigen Gymnasiums ein ganzes Jahr Geschichtsunterricht gestrichen worden. Die Schüler seien somit immer weniger in der Lage, "Zusammenhänge zwischen früher und heute herzustellen, Lehren aus der Geschichte zu ziehen".

Hinzu kommt, dass die Schüler massiver ideologischer Beeinflussung unterworfen sind, die sie kaum kritisch einordnen können, da hierzu differenzierte historische Kenntnisse vonnöten wären. Beispielsweise berichtet die "Frankfurter Rundschau", dass die aktuellen Frankfurter Schultheatertage unvermeidlich von der vorhersehbar tendenziellen Auseinandersetzung "mit Flüchtlingsströmen und Ausländerfeindlichkeit" geprägt seien.

Die "Frankfurter Neue Presse" wiederum berichtete, wie 2014 Schüler der Bettinaschule und der Paul-Hindemith-Schule die Projektwoche "Spurensuche im Gallus – Schüler erklären Geschichte" abhielten. Dabei ging es um die "Geschichte des Naziregimes und der Aufarbeitung", um "Stolpersteine" und Konzentrationslager. Es ging also um den reduzierten Blick auf 12 Jahre deutscher Geschichte, bzw. nur deren verbrecherischen Charakter. Das Projekt wurde Millionen schweren vom "Xenos"-Programm der Bundesregierung gefördert, das "Ak­ti­vi­tä­ten ge­gen Dis­kri­mi­nie­rung, Frem­den­feind­lich­keit und Rechts­ex­tre­mis­mus" zum Inhalt hatte.

Diese Tendenz ist nicht auf Frankfurt reduziert. Widmen sich Schüler in Egelsbach einem NS-Projekt der "Stolperstein"-Initiative, so setzen sich Schüler in Darmstadt in "Kooperation mit dem Verein `Gegen Vergessen Für Demokratie´" im Zuge von NS-Projekten "Für Toleranz und gegen Rassismus" ein.

Die historische Amnesie der Schüler und die Gleichsetzung von Erfahrungen der NS-Zeit mit der heutigen Einwanderungsproblematik sind also höchstwahrscheinlich erwünscht und werden gefördert, denn vergleichbare öffentlich geförderte Programme, die sich in ähnlich intensiver Weise den restlichen 2000 Jahren deutscher Geschichte widmen, finden sich in der bundesdeutschen "Vielfalt"-Gesellschaft kaum.

So richtig es ist, sich auch kritisch mit der NS-Zeit und deren Verbrechen auseinander zu setzen, so wichtig ist es für die Entwicklung eines differenzierten Urteilsvermögens, den Blick ebenso intensiv über deren Tellerrand zu erheben. Hierzu gibt es selbstverständlich auch einzelne Schulprojekte, wie beispielsweise die Beschäftigung der Nidderauer Bertha-von-Suttner-Schule mit dem ersten Weltkrieg oder das Geschichtsprojekt der Maristen-Schule Fürth zur Industriellen Revolution. In Frankfurt bemüht sich immerhin das Kindermuseum darum, Schülern Teilaspekte der deutschen Geschichte nahe zu bringen.

Angesichts dieser Situation haben sich die "Bürger Für Frankfurt" stets für die Erinnerung an zahlreiche selten beachtete Momente der deutschen Geschichte eingesetzt. Unvergessen sind die Gedenkveranstaltungen zur Zerstörung der Frankfurter Altstadt während des Bombenkrieges, ebenso die Erinnerung an die Völkerschlacht bei Leipzig 2013, die Beschäftigung mit der Altstadt und der Frankfurter Architekturgeschichte, der Einsatz für eine Gedenkstele zur deutschen Wiedervereinigung, die Erinnerung an die Paulskirchenrevolution von 1848. Es ist geplant das Spektrum dieses Engagements für historische Bildung auszubauen.

Als Gabe für Schüler kann hierzu das Buch "Deutsche Geschichte für junge Leser" des Historikers Karlheinz Weißmann empfohlen werden. Das Buch gliedert sich in 24 leicht lesbare Kapitel, in denen wichtige Stationen der deutschen Geschichte anschaulich und zugleich umfassend vermittelt werden. Das Buch beginnt mit der Vorzeit, den Germanen, Franken und Sachsen. Es erläutert die Entstehung des Begriffes "deutsch", die Machtverhältnisse in Mittelalter und früher Neuzeit, die Verwerfungen der Glaubenskriege, bis hin zum Aufstieg Preußens und der deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Dabei kommt auch das Leid der NS-Zeit zur Sprache, aber angemessen eingebettet in einen 2000-jährigen historischen Kontext.

Die gewählte breite Zeitspanne und das Zielpublikum erklären, dass natürlich nicht alle historischen Details ausreichend zur Sprache kommen. Dennoch bietet Weißmanns Arbeit einen gelungenen Überblick, ist somit auch für erwachsene Leser geeignet, die ihre Kenntnisse rasch ein wenig auffrischen möchten. Das mit vielen bunten Zeichnungen des ukrainischen Graphikers Sascha Lunyakov geschmückte Buch endet mit der Wiedervereinigung von 1989/90 und Weißmanns Schlusswort: "In über tausend Jahren haben die Deutschen als Volk Erstaunliches geleistet. Sie haben eine sehr wichtige Rolle in Europa gespielt und werden sie ohne Zweifel auch zukünftig spielen. Sie haben sich aber auch oft genug selbst im Weg gestanden, waren uneinig und zerstritten, haben mit Fremden gemeinsame Sache gegen ihre Landsleute gemacht oder waren zu feige, ihr Land gegen Bedrohungen zu verteidigen.

Die deutsche Geschichte kannte viele Höhe- aber auch viele Tiefpunkte, bis hin zur totalen Katastrophe. Nun gib es aber kein Volk, das frei von Schwächen ist, und vielleicht sind die umso größer, je größer die Stärken sind. Das jedenfalls kann man bei den Deutschen sagen, und es bleibt deshalb die Aufgabe, die Vergangenheit unseres Volkes ins Auge zu fassen, um Fehler zu vermeiden, vor allem aber um das notwendige Selbstbewusstsein daraus zu ziehen, dass die heute hier Lebenden die Erben einer stolzen Überlieferung sind."


Marlis Lichtjahr


Karlheinz Weißmann: Deutsche Geschichte für junge Leser, Berlin 2015, jf-edition, geb., 252 Seiten, 29,90 Euro

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