Nichts Neues aus Offenbach

SPD-Mann gewinnt erste Runde der Oberbürgermeisterwahl

Nichts Neues aus Offenbach


Frankfurts Nachbarstadt war am Sonntag zur Wahl eines neuen Oberbürgermeisters aufgerufen. Überraschungen hat Offenbach nicht zu bieten. Heraus kam das dort Erwartungsgemäße. Anders als im weit innovativeren Frankfurt ist die politische Landschaft in Offenbach sehr eingefahren. Seit Jahrzehnten hat sich die Dominanz eines altlinken Milieus wie Mehltau über die Stadt gelegt und wacht darüber, die damit verbundene Macht auch möglichst nie mehr abzugeben.

Das wird den linken Gralshütern allerdings auch leicht gemacht von einer ebenfalls traditionell ausgesprochen schwachen Opposition, die für einen deutlichen inhaltlichen Kurswechsel und ein Aufbrechen der verkrusteten Strukturen geistig überfordert ist. Hinzu kommen die Sachzwänge einer immer noch vom ökonomischen Strukturwandel betroffenen ehemaligen Arbeiterstadt. Immerhin hat sich nach der Kommunalwahl 2016 ein oppositionelles Bündnis aus CDU, Grünen, FDP und Freien Wählern zusammengetan, um die Jahrzehnte lange SPD-Dominanz im Stadtparlament zu brechen. Dass ein solch großes Bündnis zahlreiche Kompromisse eingehen muss, liegt auf der Hand. Der SPD, die auch 2016 die stärkste Fraktion bilden konnte, hat der "Dolchstoß" der "Grünen" dabei sauer aufgestoßen.

Nun galt es für die Offenbacher "Genossen" zumindest den Posten des Oberbürgermeisters zu verteidigen. Niemand allerdings erwartete anderes, als den Erfolg eines SPD-Kandidaten. Seit 1947 wird die Stadt von SPD-Oberen regiert. Nur von 1980 bis 1986 schaffte es mit Walter Suermann ein CDU-Politiker auf den OB-Sessel. Dementsprechend sieht die Stadt aus. Die problematische ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung, bei der der muslimische Anteil immer größer, der deutsche hingegen immer kleiner wird, wird bewusst nicht problematisiert, sondern mittlerweile als Markenzeichen einer "bunten" Stadt umzudeuten versucht.

Jeder städtebaulichen Mode wurde im Laufe der Jahrzehnte hinterhergelaufen, ohne eigenes Stilbewusstsein zu entwickeln. Somit hat die Stadt noch immer mit den baulichen Hinterlassenschaften der 70er Jahre zu kämpfen, so dass eigentlich jede Veränderung fast automatisch eine Verbesserung mit sich bringt. Unter der Ägide des noch amtierenden OB Horst Schneider wurden Investoren mit offenen Armen empfangen, ihre teils architektonisch anspruchslosen Neubaublocks auf bestehende Brachgelände zu bauen. Die ästhetischen Vorgaben der Stadtoberen waren gering, so lange nur irgendetwas in der Stadt geschah. Wohnraumbau wird dabei als Hoffnung angesehen, die Bevölkerungsstruktur in Richtung einer steuerlich solventeren Klientel verbessern zu können.

Erfolge in diesem Bereich sind allerdings vor allem nicht den Bemühungen der SPD und ihres Oberbürgermeisters geschuldet, sondern der Nähe zu Frankfurt und dem dortigen Druck auf dem Wohnungsmarkt. Offenbach wird somit von manchen Frankfurtern oder Neuzugängen als noch verhältnismäßig günstiges Ausweichareal betrachtet. Um nichts dem Zufall zu überlassen, hat die SPD einen überaus telegenen OB-Kandidaten aufgestellt. Felix Schwenke wurde 1979 in Frankfurt geboren, was für die Offenbacher womöglich der einzige Wehrmutstropfen scheint. Er besuchte dann aber ein Offenbacher Gymnasium, leistete in Offenbach auch den Zivildienst ab und fungierte dort lange Jahre als Juso-Vorsitzender. Er studierte Französisch und Sozialkunde auf Lehramt in Frankfurt, promovierte dann dort im Fach Politologie. Dabei war er von 2006 bis 2009 Stipendiat in der Graduiertenförderung der Friedrich-Ebert-Stiftung, wurde also von der ideologischen Kaderschmiede der SPD gefördert. Nach einer sehr kurzen Tätigkeit als Studienrat wurde er ab 2012 Stadtrat und dann auch noch Kämmerer in Offenbach.

Der städtische SPD-Vorsitzende ist nicht nur der jüngste unter den sieben Wahl-Kandidaten gewesen. Er sieht zudem gut aus, ist wortgewandt, humorvoll, ein medientauglicher kleiner Emmanuel Macron für Frankfurts östlichen Nachbarn. Seine Ziele entsprechen indes der üblichen sozialdemokratischen Agenda. Er redet von "Wohnungen, die Normalverdiener bezahlen können", "Schulen, in denen Kinder gerne lernen", von Sicherheit und Sauberkeit. Wie er das realisieren möchte, bleibt vage. So hofft Schwenke vor allem auf steigende städtische Steuereinnahmen, vor allem durch Gewerbeansiedlungen.

Die CDU hatte mit Peter Freier einen Verlegenheitskandidaten aufgeboten. Freier hatte bereits die letzte OB-Wahl verloren, war aber nach dem raschen Rückzieher der ursprünglich vorgestellten Kandidatin eingesprungen. Der übergewichtige Fraktionsvorsitzende kokettierte im Wahlkampf mit seiner Liebe für die gute Küche und warb auf den Plakaten mit dem vielsagenden Motto "XXL". Mit Peter Schneider hatten die Grünen ein bekanntes altes politisches Urgestein ins Rennen geschickt, das mit 14,2 Prozent einen Achtungserfolg hinlegen konnte. Schneider ist Bürgermeister, Sozial- und Ordnungsdezernent. Die AfD-Fraktionsvorsitzende Christin Thüne erhielt 5,3 Prozent. Das für AfD-Verhältnisse eher magere Ergebnis hatte einerseits mit einem schwachen Wahlkampf zu tun, in dem Thüne vor allem ihr "dabei sein" betonte und öffentlich Lob für Felix Schwenke aussprach.

Zum anderen mag es daran gelegen haben, dass die Klientel der AfD-Wähler teils daheim blieb. Am stärksten schnitt Thüne in den konservativeren Stadtteilen und in einigen Arbeitergebieten ab. Doch die Schwankungen in den Wahlbezirken waren gering. In der Offenbacher Tageszeitung wurde Thünes Hinweis darauf, dass sie Attacken auf Wahlkampfstände erleben musste und zu einigen Diskussionsrunden nicht eingeladen wurde, als Inszenierung einer "Opferrolle" bewertet. Es wäre interessant gewesen zu erfahren, ob das SPD-nahe Blatt ähnliches behauptet hätte, wenn Schwenke attackiert und ausgeladen worden wäre.

Die Kandidatin der Linken, Elke Kreiss, erhielt trotz Verzichts auf persönliche Wahlplakate 3,7 Prozent, der "Pirat" Helge Herget trotz eines engagierten Wahlkampfs nur 1,9 Prozent. Ein Offenbacher Spezifikum war die Kandidatur Muhsin Senols von der türkisch dominierten Partei "Forum Neues Offenbach". Senol klebte offenbar die meisten Plakate in der Stadt. Dabei warb er unter anderem auch mit einem vom Rapper "Haftbefehl" übernommenen Motiv und dem Slogan "Wähl den Babo", also den "Boss".

Die Nervosität im sozialdemokratischen Lager war spürbar, hatte man doch bislang immer gehofft, Migranten als sichere SPD-Wählerklientel der Zukunft nutzen zu können. So überraschte es nicht, dass ausgerechnet wenige Tage vor der Wahl Berichte über die "zweifelhaften Verbindungen" des FNO-Kandidaten zu Erdogans AKP und den "Grauen Wölfen" in der Presse erschienen.

Senol holte letztlich nur 3,3 Prozent, wobei aber ein ausgesprochen hoher Briefwähleranteil ins Auge sticht. Beobachter aus dem Rathaus berichteten, dass "im Vorfeld auffällig viele türkisch sprechende Bulgaren (ihre Heimat ist EU-Staat) mit Begleitung ins Wahlbüro gekommen seien".

Das dürfte allerdings nicht das letzte Wort der FNO oder einer ähnlichen ethnischen Klientelpartei sein. Deren Anteil im Kommunalparlament könnte in Zukunft durchaus wachsen und der SPD einen Strich durch die Rechnung machen. Ein weiterer interessanter Aspekt: Senol setzte sich im Wahlkampf für weitere Baugebiete in der Stadt ein. Angesichts einer schrumpfenden deutschen Bevölkerung dürfte klar sein, für welche Bevölkerungsgruppen hier Wohngebäude errichtet werden sollen. Nicht nur die SPD baut also darauf, sich ein neues Volk durch Zuzüge basteln zu können.

Zeitgleich mit der Bundestagswahl wird also am 24. September eine Stichwahl zwischen Peter Freier (28,4 Prozent) und Felix Schwenke stattfinden (43,3 Prozent). Alles andere als ein hoher Sieg Schwenkes gilt als Überraschung, auch angesichts des Vorsprungs in der ersten Runde. Dabei muss man allerdings bedenken, dass die Wahlbeteiligung nur bei gut 30 Prozent lag, Schwenke also nur knapp 13 Prozent der Stimmen der Wahlberechtigten bekommen hat. Vergleichbare Wahlen zu Uni-Parlamenten zeigen allerdings bereits, dass solch eine zweifelhafte Legitimation die auf diese Weise zur Macht gekommenen Kandidaten wenig stört.
 

Marlis Lichtjahr

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